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Nach den verschärften Sanktionen gegen Huawei in den USA (Wir berichten), scheint sich der Konzern auch in Europa zurückzuziehen. Offiziell heißt es dazu in einer Pressemitteilung von Huaweidass man „seine zwei bisherigen europäischen Regionen (Westeuropa und Nord-/Osteuropa) in einer großen Europagesellschaft zusammenlegt und den Standort Deutschland mit einer neuen Europazentrale in Düsseldorf stärkt.“
Dazu sollen unter anderem die Niederlassungen in London., Paris und Brüssel verkleinert oder gar geschlossen werden. Inwieweit ein Büro am Sitz der EU-Kommission in Brüssel das nur noch als Außenstelle von Düsseldorf führt, das EU-Business des Konzerns verstärkt, erklärt die Pressemitteilung nicht. Anschließend werden in Brüssel die Weichen für die europäische TK- und Digitalpolitik gestellt. Zahlreiche Medien bewerten deshalb die Huawei-Entscheidung als Rückzug aus Europa.
Prognose der jüngsten Entwicklungen rund um Huawei – verstärkte US-Sanktionen und Rückzug in Europa – fragen sich sowohl Verbraucher als auch Geschäftsentscheider, welche Konsequenzen dies für sie hat. Für die Verbraucher könnte dies bedeuten, dass es zukünftig in Europa keine Huawei-Smartphones mehr geben könnte, darüber spekuliert etwa die Seite Notebookcheck.com. Allerdings haben bereits die vorangegangenen US-Sanktionen dem internationalen Smartphone-Geschäft von Huawei stark geschadet, da Nutzer dadurch (offiziell) auf Google-Dienste und 5G-Chips verzichten erforderlich.
Das wäre allerdings noch das kleinere Übel, denn auch deutsche Unternehmen könnten von den US-Sanktionen betroffen sein, wenn sie in ihren Produkten – etwa in einem Auto ein Huawei-Mobilfunk-Modul für Notruf und Connected Services – Huawei-Produkte verwenden. Gegenüber der FAZ sagt sich Volker Treier, Außenwirtschaftschef des DIHK, also: „Die Zuspitzung des Handelskonflikts der beiden Weltwirtschaftsgiganten kommt für die deutsche auslandsaktive Wirtschaft konjunkturell zur absoluten Unzeit.“ Weiter befürchtet Treier, dass sich die Lieferketten zwischen den von den USA und den von China geprägten Wirtschaftsregionen noch stärker entkoppeln könnten. Von der Politik können die Unternehmen hier derzeit nicht auf Hilfe hoffen, denn diese überarbeitet gerade ihre China-Strategie. Dabei soll es Differenzen zwischen dem eher China-kritischen Kurs des Auswärtigen Amts und dem Bundeskanzleramt geben, das eher China-freundlich eingestellt IST.
Öl ins Feuer rund um die Diskussionen über einen Huawei-Rückzug in Europa gießt außerdem das politische Journalismus-Portal Politico.eu – eine Gemeinschaftsunternehmen mit der US-Zeitung Politico, die zu den wichtigsten Medien im Washingtoner Politikbetrieb zählt. Unter der Schlagzeile „Wie Washington Huawei aus Europa verjagte“ kommt Politico zu dem Schluss, dass Huawei Europa aufgebe und sich nur noch auf Deutschland, Spanien und Ungarn konzentrieren werde.
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Seine Thesen untermauert Politico mit Zitaten aus einer internen Rede von Huawei-Firmengründer Ren Zhengfei vor Führungskräften im Juli 2022. Damals soll er ausgeführt haben: „Früher verfolgten wir das Ideal einer Globalisierung, die der ganzen Menschheit dienen sollte. Was ist heute unser Ideal? überleben!“. Noch deutlicher soll sich ein ranghoher europäischer Mitarbeiter geäußert haben: „Huawei ist nicht länger ein Unternehmen, das auf der Globalisierungswelle schwimmt. Es ist ein Unternehmen, das versucht, seinen Arsch auf dem heimischen Markt zu retten.“
Zu der misslichen Lage des Konzerns führten in den Augen von Zhengfei drei Punkte : die Feindseligkeit Washingtons; die Corona-Pandemie verknüpft mit Chinas Null-Covid-Politik sowie der Einmarsch Russlands in der Ukraine, der die globalen Lieferketten ins Wanken brachte. Zudem habe dieses die Bedenken der Europäer hinsichtlich einer zu großen Abhängigkeit von Ländern wie China verstärkt. Dies habe die Frage aufgeworfen, was schlimmer ist: die Abhängigkeit von russischem Gas oder die von chinesischer Telekommunikationsinfrastruktur? Zudem beraubte Chinas Null-Covid-Politik Huawei der Möglichkeit, auf der weltweit größten TK-Messe, dem Mobile Word Congress, erfolgreiche Lobby-Arbeit zu tätigen, denn das Top-Management konnte schlicht nicht reisen. So ist die Messepräsenz des Konzerns, wofür früher zweistellige Millionenbeträge ausgegeben wurden, auf dem MWC nur noch ein schwacher Abklatsch mit ausgewähltem Glanz.
Einen Rückzug aus Europa legt auch die Personalentwicklung der letzten Zeit nahe. So verlor das wichtige Brüsseler Lobby-Büro seinen Kommunikationschef und drei wichtige Lobbying-Mitarbeiter und Chef-Lobbyist (Tony Jin Yong, für Politikangelegenheiten in ganz Westeuropa zuständig, scheint seine Zeit hauptsächlich in Düsseldorf zu verbringen. In London ging der Kommunikationsdirektor und andere hohe Mitarbeiter von Bord. Und in Paris verlassenen Marketing- und Kommunikationsdirektor, der Leiter für Regierungs- und Sicherheitsangelegenheiten sowie die Hauptvertreterin des Pariser Büros das Unternehmen.
Neben den politischen Gründen, könnten in den Rückzug Huawei´s von der globalen Bühne noch persönliche Gründe hineinspielen: Die Haftung bzw. Arrestierung von Meng Wanzhou – Huawei´s Finanzchefin und Rens Tochter sowie mögliche Erbin der Unternehmensführung – in Kanada wegen Betrugsvorwürfen in den USA wurde als persönlicher Schmach empfunden. Als sie nach drei Jahren 2021 wieder frei kam, begann sie nach ihrer Rückkehr in die Zentrale in Shenzhen mit einer Umstrukturierung. Dabei sollten auch die ausländischen Aktivitäten wieder stärker nach Shenzhen verlegt werden.
Quelle: news.google.com